Klavierkonzert Nr.2 in f-moll

Aufbau, Uraufführung und die Presse

Vorneweg: Das Klavierkonzert in f-moll wurde zwar als erstes komponiert, hingegen das e-moll Konzert zuerst veröffentlicht, deshalb die eigentlich falsche Nummerierung. Chronologisch gesehen, ist dieses Werk also das erste Klavierkonzert.

Im Vergleich zu der Eleganz seiner Solokompositionen für Klavier zeigen Chopins Klavierkonzerte die ganze Größe seiner musikalischen Inspiration. Das Paradebeispiel hierfür ist sein zweites Klavierkonzert.

Verglichen mit seinem sehr romantischen und gefühlvollen ersten Klavierkonzert ist das zweite bei weitem ausgereifter, der emotionale Ausdruck beinahe schon verhalten. Dennoch scheinen die Emotionen gerade durch Chopins Versuch, sie zu unterdrücken, an Kraft und Stärke gewonnen zu haben.

Der erste Satz, Maestoso, beginnt mit einer getragenen Melodie, dargebracht von der Violine und den tieferen Streichern. Nach und nach schwillt sie an und findet mit einem Paukenschlag ihren Höhepunkt. Holzbläser und Violinen gesellen sich hinzu. Der gemessene Klavierteil wechselt behände zwischen kraftvollen und ruhigen Passagen.

Bis zum Schluss reißen die Stimmungswechsel nicht ab. Der Ton bleibt verhalten. Doch dann brechen die zurückgehaltenen Gefühle in einem gewaltigen Klangstrudel hervor, gespielt vom gesamten Orchester, wobei die Schlaginstrumente besonders hervortreten. Es folgt die Ruhe nach dem Sturm. Zu hören ist nur das leise Klavier. Die Beherrschung hat wieder Einkehr gehalten.

Anders im zweiten Satz, dem Larghetto: Hier unterliegen die Gefühle keinem Reglement. Zu Beginn ist die Musik geradezu hymnisch, bis das Klavier sich aus den Tiefen seiner Bassklänge erhebt und eine Stimmung schafft, deren Zartheit von sanften Geigenklängen aufgenommen wird. Der Ton wird nachdenklich. Im Nu schlägt das Klavier ein schnelleres Tempo an und holt die Gedanken in die Gegenwart zurück - wenn auch die klagenden Violinen stets mahnend der Vergangenheit gedenken.

Der dritte Satz, Allegro vivace, ist lebhafter. Das Klavier leitet das Orchester in eine optimistischere Stimmung. Der Ton wird heiterer, obwohl die nachdenkliche Stimmung des vorangegangenen Satzes immer wieder in Erscheinung tritt. Diese wird jedoch in einem Crescendo von Streichern und Blechbläsern, einer kurzen Trompetenfanfare und einem freudig-optimistischen Klavier hinweggefegt. Der Schluss wird einzig vom Klavier bestritten, und das Konzert endet wie es begann - alle Emotionen sind unter Kontrolle.

Die Uraufführung des Konzerts f-moll fand am 7. Februar 1830 im geschlossenen, aber exquisit ausgewählten Kreis statt. Chopin hatte die musikalische Elite Warschaus und seine Freunde in seinen Salon eingeladen, darunter natürlich Elsner, Zywny und Kurpinski, der sich auch bereit erklärt hatte, zu Chopins Begleitung ein kleines Orchester zu dirigieren. Das werk hinterließ bei den Gästen einen großen Eindruck und reif Bewunderung hervor. Sogar in der Presse fand das Ereignis Widerhall - so berichte am 12.2.1830 die "Gazeta Warszawska" ("Warschauer Zeitung"):

"Unser Virtuose Chopin schrieb ein neues Konzert für Klavier in f-moll, dessen Probe mit vollem Orchester am vergangenen Sonntag stattfand. Kenner verehren diese neue musikalische Frucht; es ist ein Werk, das zahlreiche ganz neuartige Einfälle enthält und zu den schönsten neuen Werken gerechnet werden kann. Man hört, dass sich H. Chopin nach Italien begibt, aber diese Reise sicherlich nicht unternehmen wird, ohne zuvor ein öffentliches Konzert in der Hauptstadt Polens zu geben, was die Verehrer seines großen Talents sich wünschen."

Chopin wollte natürlich ein Konzert geben, schob aber diesen Zeitpunkt hinaus. Seit Jahren war er es gewohnt, in kleinerem Freundeskreis oder in Salons zu spielen. Er konnte immer noch nicht seinen inneren Widerstand und seine Furcht überwinden, um sich auf der Bühne vor einer fremden Menge und überdies mit eigenen Kompositionen zu präsentieren - wenn er auch seit seiner Kindheit von einer solchen Künstlerkarriere träumte. Das war wohl auch der Grund dafür, dass er es bei seinem ersten Treffen mit dem Warschauer Publikum in der Ressource vorzog, nur zu improvisieren. Hierbei fühlte er sich am wohlsten. "Du glaubst nicht, was das für eine Qual drei Tage vor dem Auftritt ist", schrieb er an Tytus am 27. März und tröstete sich vielleicht damit, dass dies wohl nur am Anfang einer virtuosen Karriere so sei.

Die Vorbereitungen zu einem öffentlichen Konzert nach dieser Privatvorstellung im Februar zogen sich noch über einen Monat hin. Als Chopin sich entschlossen hatte, Mitte März nicht nur das Konzert f-moll, sondern auch die Fantasie sur airs polonais zu spielen, lud er wenige Tage zuvor (am 3.3) nochmals Freunde und Musiker in seine Wohnung ein, um mit Kurpinski zusammen das Programm in privater Atmosphäre zu proben. Schließlich nahte der 17. März, der Tag an dem der Künstler im Nationaltheater am Krasinski-Platz mit Orchester unter der Leitung von Kurpinski auftreten sollte. Der Saal war übervoll - schon am Vortag hatte die Presse berichtet, dass es keine freien Plätze mehr gäbe. Das Programm begann mit der Ouvertüre zu Elsners "Leszek Bialy" ("Leszek der Weiße"), danach spielte Chopin den ersten Satz seines Konzerts f-moll, Karol Goerner führte auf dem Horn sein Divertissement auf, und danach erklagen die übrigen Sätze von Chopins Konzert. Nach der Pause folgten die Ouvertüre zu "Cecylia Piaseczynska" von Kurpinski, Paers Variationen "La Biondina", gesungen von Barbara Majerowa, und schließlich Chopins Grande Fantaisie sur des airs polonais.

Das Allegro des Konzertes weckte beim Publikum nur mäßige Reaktionen ("Es bekam Beifall, aber wie mir scheint, nur deshalb, weil man sich wundern musste, was das ist!", schrieb Fryderyk an Tytus.). Wesentlich besser wurden Adagio und Finale aufgenommen. Am Schluss brach langer Beifall hervor, und der Komponist wurde dreimal auf die Bühne gerufen. Allerdings macht die Fantasie über polnische Themen einen eindeutig geringeren Eindruck, als Chopin erwartet hatte. ("Es wurde Bravo geschrien, wohl aber aus der Überzeugung, man müsse mir beim Abgang zu erkennen geben, dass man sich nicht gelangweilt hat", kommentierte Chopin bissig). Der Künstler hatte einen Fehler begangen, als er darauf bestand, auf seinem eigenen Instrument zu spielen. Es war, vor allem bei Chopins Spielweise, im Theater zu leise. Das Publikum klagte nach dem Konzert darüber, und auch Elsner bemerkte, die Passagen im Bass seien überhaupt nicht zu hören gewesen.

Die Presse widmete diesem Konzert ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit und druckte umfangreiche Artikel. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Fryderyk in nur wenigen Tage derart viel über sich selbst lesen! Es herrschte Begeisterung: "Der junge Virtuose stellte die Anwesenden zufrieden; es wurde ihm allgemein zugestanden, dass er zum Kreis herausragender Meister gehöre. Mit verdientem Beifall bedachte man die Aufführung seines Konzerts und Potpouris [sic!]. Das Adagio dieses Konzerts halten Kenner in seiner Ausführung wie auch in seiner Komposition für meisterhaft, und das Rondo begeisterte alle. Der Mazurek in diesem Rondo, von den allerangenehmsten Veränderungen bereichert, wird sicherlich überall gefallen, wo auch immer H. Szope (Chopin) ihn spielen wird." ("Warschauer Kurier" 18.03.)

"Alle Vorzüge eines wahren Klaviervirtuosen vereinen sich bei Herrn Chopin in höchster Vollendung: Kraft, Geläufigkeit und vor allem Empfindung sind seine Hauptvorzüge, und der Anschlag einer jeden Taste ist bei ihm ein Ausdruck des Herzens. Das Warschauer Publikum wusste das seltene Talent seines Landsmannes zu schätzen, der ihm bald in fernen Ländern zur Ehre gereichen und sein Stolz sein wird; donnernder Beifall empfing und entließ den auftretenden Künstler, dessen frappierende Bescheidenheit noch die Wertschätzung seines Talents erhöht. ("Warschauer Zeitung", 18.03.)

Quellenangaben

(Textauszug aus "Chopin, Sein Leben, sein Werk, seine Zeit", Tadeusz A. Zielinski, ISBN 3-7857-0953-6)