Prélude op.28 Nr.15 in Des-Dur
"Regentropfen-Prélude"

Das 15. Prélude Des-Dur, mit 89 Takten eines der beiden längsten, hebt sich von den anderen durch eine traditionelle Tonsprache sowie die äußerlichst kantable, nocturneartige Melodie ab. Ein besonderes Merkmal, das dieses Stück besonders ausgezeichnet, ist aber die stete monotone Wiederholung des Tons as (bzw. gis), in der Begleitung sogar nahezu durchgehend, womit der Anschein gleichmäßig fallender Tropfen erweckt wird. Diese Tonwiederholungen werden im Thema dadurch rhythmisch variiert, indem sie an jeweils verschiedenen Taktstellen von Akkorden der Grundtonart in der linken Hand unterbrochen werden. Darüber schwebt eine milde diatonische Kantilene, rein und süßlich, ja fast sentimental. Um nicht in dieser Empfindung zu verharren, entwickelt Chopin in der folgenden Periode (ab Takt 9) den Melodieverlauf mit Hilfe von Modulationen (nach Ges-Dur, as-moll, b-moll). Hierdurch wird dieser noch sanglicher und erhält mehr Tiefe, zudem kehrt die Begleitung von der anfänglich durch die Tonwiederholungen verursachten Monotonie ab.

Im 2. langen Teil mit veränderten Vorzeichen, in cis-moll, wird die Note gis monoton von der rechten Hand angeschlagen, nun fast mit grimmiger Besessenheit, wodurch der sentimentale Ausdruck in eine finstere Dramatik verwandelt wird. Der Part der linken Hand schreitet in geheimnisvollen Zweiklängen fort, deren obere Stimme, eine asketisch-herbe Melodie, hierdurch noch stärker wie ein Crescendo zu einem kulminierenden fortissimo, wo die hartnäckigen Wiederholungen – nun auf der Note h – wie Schreckensglocken ertönen, und dies um so mehr, da sie von gewaltigen Akkorden in ungewöhnlicher Folge gestützt werden. Nach der zweiten Kulmination bildet sich aus diesem Effekt die wohl schönste Kantilene im gesamten Zyklus heraus, welche das mit tragischer Hartnäckigkeit wiederholte gis umflicht – musikalisch geht sie von dem oben erwähnten asketischen Zweiklangsmotiv der linken Hand aus. Die abschließende, sehr kurze Reprise des Des-Dur-Themas wird auf die erste Phase begrenzt. Die zweite dagegen wird sozusagen stillschweigend abgebrochen. Statt dessen leiten einige reolut klingende Einzeltöne zur Coda über, wo die monotonen „Tropfen“ (as) eine beruhigende und einschläfernde Wirkung hervorrufen.

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Quellenangaben

(Textauszug aus "Chopin, Sein Leben, sein Werk, seine Zeit", Tadeusz A. Zielinski, ISBN 3-7857-0953-6)