Welt der Klänge

Chopin revolutionierte das Klavierspiel. Egal für welche Art von Klavier er schrieb, es gelang ihm immer wieder, völlig neue Klangmöglichkeiten zu eröffnen.

Etüde in c-moll, 'Revolutions-Etüde'

Von Chopins Etüden heißt es, sie seien für einen Musiker ohne Virtuosität genauso wenig zu bewältigen wie für einen Virtuosen ohne Musikalität. Die "Revolutions-Etüde" verlangt einem Pianisten sein gesamtes Können ab. Trotzdem überdecken technische Finessen nie den stürmischen Fluss der Musik. Vor den mit der linken Hand erzeugten Kaskaden eilt die Melodie dahin wie ein furchtloser Reiter auf den Wellen.

Chopin komponierte die Revolutions-Etüde 1830, nachdem er erfahren hatte, dass der polnische Aufstand von russischen Truppen niedergeschlagen worden war. Das Stück ist ein Übungsstück für die linke Hand. Sämtliche 12 Etüden des op. 10 waren inspiriert von dem Geiger Niccolò Paganini und dem Pianisten Franz Liszt, dem sie gewidmet sind.

Fantasie-Impromptu

Dieses Impromptu mit seiner großen emotionalen und stilistischen Bandbreite ist das bekannteste Impromptu Chopins. Ein brillanter Eröffnungsteil leitet über zum lyrischen und romantischen zweiten Thema. Zum Ende wird der Eröffnungsteil mit schnellen Klangkaskaden nochmals aufgenommen, wobei auch das romantische Thema erneut anklingt.

Chopin schrieb leichte Salon-Stücke, die nach den privaten Repräsentations-Räumen benannt sind, in denen sie vorgetragen wurden. Er bevorzugte den Auftritt im kleinen Kreis und spielte nicht gerne vor großem Publikum. In seinem Leben gab er nur 30 öffentliche Konzerte. Das 1836 geschriebene Fantasie-Impromptu wurde erst einige Jahre später veröffentlicht, weil Chopin der Meinung war, es ähnele dem Stück eines anderen Komponisten.

Walzer

Chopins Walzer sind, verglichen mit seinen sonstigen Klavierwerken, stilistisch weniger aufwendig und weniger melancholisch. Einige, wie etwa der Minuten-Walzer, verlangen dem Interpreten beträchtliche technische Fähigkeiten ab. Eigentlich sollte man ihn innerhalb einer Minute spielen - es ist allerdings außer Chopin kein Pianist bekannt, der dieses vermocht hätte.

Die Walzer - sie sind meist zu schnell oder zu langsam, um getanzt zu werden - wurden nicht für den Ballsaal geschrieben. Sie zeigen, wie seine Etüden, Stil und Noblesse, die jeden funktionalen Zweck weit hinter sich lassen. Sie sind sozusagen Meisterwerke für sich. Robert Schumann lobte den Walzer Nr.9 als "Salonstück der vornehmsten Art, ... durch und durch aristokratisch". Das trifft auf viele Walzer Chopins zu, so auch auf den Grande Valse Brillanten, in dem eine ganze Anzahl verschiedener Klänge gegeneinandergesetzt und endlich mit einem gewissen Humor zusammengebracht werden.

Der Walzer Nr.7 gewinnt seine Kraft aus dem Zusammenspiel verschiedener Rhythmen. Der vielleicht schönste ist der Walzer Nr. 14. Er bewegt sich zwischen sanfter Ruhe und äußerster Erregung, unterbrochen von dramatischen Ausbrüchen, und mit einem furiosen Finale.

Minuten-Walzer, op. 64, Nr. 1
Walzer Nr. 1 in Es-Dur, op. 18
Nr. 7 in cis-moll, op. 64, Nr. 2
Walzer Nr. 9 in As-Dur, op. 69, Nr. 1
Walzer Nr.14 in e-moll, op. posth.

Zum Walzer hatte Chopin ein zwiespältiges Verhältnis. Er veröffentlichte nur 8 seiner 18 Walzer und gab Anweisung, die übrigen zu verbrennen. (Walzer Nr. 9 entging diesem Schicksal.) 1831 komponierte er in Wien den fulminanten Walzer Nr. 1 (Grande Valse Brillante). In seinen Briefen äußerte er sich abfällig über diesen Musikstil. Den berühmten Minuten-Walzer und den ruhigeren Walzer Nr. 7 schrieb er 1846-47.

Nocturnes

Romantisch und anmutig in Stil und Ausführung, gehören die Nocturnes zu Chopins berühmtesten Werken. Die Übersetzung "Nachtstück" ist ihrer träumerischen Atmosphäre durchaus angemessen. Nicht selten enthalten sie einen lebhaften Mittelteil, der dem jeweiligen Stück Gewicht und Vollendung verleiht. Neben der Betonung des Emotionalen zeigen sie eine geradezu anmutige Sicherheit, die - zusammen mit Leidenschaft, Dramatik und manchmal sogar Erhabenheit - Beweis für ihren musikalischen Rang ist.

Einige dieser Kompositionen, wie das bekannte Nocturne in Es-Dur, sind von eleganter und anmutiger Gelassenheit. Am farbigsten sind die drei Nocturnes op.15. Und tatsächlich heißt es, Chopin habe das erste "wie mit den zarten Flügeln eines Schmetterlings" hingetupft. Das zweite Nocturne ist ebenfalls reich verziert und überaus elegant. Das dritte wird dank seiner ergreifenden Stimmung oft mit dem Trauern um eine verlorene Liebe verglichen.

Nocturne in Es-Dur, op. 9, Nr. 2
Nocturne in F-Dur, op. 15, Nr. 1
Nocturne in Fis-Dur, op. 15, Nr. 2
Nocturne in g-moll, op. 15, Nr. 3
Nocturne in Des-Dur, op. 27, Nr. 2

Obwohl vom irischen Komponisten John Field beeinflusst, sind Chopins Nocturnes von ganz eigenständiger melodischer Qualität. Sehr bekannt ist das Nocturne in Es-Dur mit seiner intimen Salon-Atmosphäre, in der Chopin sich ganz in seinem Element fühlte. Die schwierigen Nocturnes op. 15 widmete er seinem berühmten Freund, dem Pianisten Ferdinand von Hiller. Das Nocturne in Fis-Dur wurde oft mit Champagner und Trüffeln verglichen - eine Beschreibung, die auch auf das Nocturne in Des-Dur zutrifft.