Chopin Biographie, Werke, Bilder, Portraits, Zitate
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Chopins Persönlichkeit

Chopin muss eine ausgesprochen smarte Persönlichkeit gewesen sein - und der wusste dies auch. Großen Wert legte er auf ein elegantes Äußeres. Stets kleidetet er sich geschmackvoll, aber dezent – klassisch, würde man heute sagen. Seine Lieblingsfarben waren taubenblau und perlgrau. „Er liebte Blumen über alles und verstand es kraft seines natürlichen Geschmacksempfindens zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig die richtige Linie des „comme il faut“ zu wahren“, schreib Franz Liszt, Chopins Freund, Kollege und erster Biograph.
Chopin war ungefähr 1.70m groß, sehr zierlich – er wog nur etwa 50kg. Seine Augenfarbe war grau-blau, das mittelblonde Haar war stets gepflegt und die zarte Transparenz seiner Haut, die leicht verbogene Nase sowie seine vornehmen Manieren verliehen ihm die Aura des Adels, so dass man ihn, so Franz Liszt „unwillkürlich wie einen Fürsten behandelte.“

Die geistige Eleganz war Chopin jedoch eben so selbstverständlich wie die äußere. Obwohl er von Zeitzeugen als scheu, zurückhaltend und verschlossen geschildert wurde, war er in einer Gesellschaft – insbesondere in einer eleganten Abendgesellschaft – immer ein geistreicher und witziger Unterhalter. Trotzdem bemerkte er einmal: "Stets bin ich, was meine Gefühle angeht mit denen anderer in Synkopen." Und doch wusste er sich in jeder Gesellschaft un in jeder Situation zu benehmen und war als Gesprächspartner beliebt und begehrt. Ohne Einschränkung kann man daher behaupten, dass alle, die Chopin persönlich kannten, von ihm fasziniert waren, und zwar unabhängig davon, wann, wo und unter welchen Umständen die Begegnung stattgefunden hatte. Heinrich Heine, der ebenfalls mit Chopin befreundet war, schreib im Jahre 1838 in seinen "Pariser Kunstbrief": "Polen gab ihm seinen chevaleresken Sinn und den geschichtlichen Schmerz, Frankreich gab ihm seine Anmut, seine Grazie und Deutschland gab ihm den romantischen Tiefsinn."
Keineswegs war Chopin nur der verträumte und sensible Romantiker, wie er auch heute noch von vielen Menschen gesehen wird. Er bekannte selbst, dass er sein Temperament häufig zähmen musste: „Im Salon spiele ich den Ruhigen, doch wenn ich wieder zu Hause bin, da donnere ich auf dem Klavier.“ Er war schließlich nicht nur der Komponist zärtlicher Nocturnes, sondern auch der Schöpfer solcher vor Leidenschaft und Dramatik bebender Werke wie der Ballade in g-moll oder der Revolutionsetüde op.10 Nr.12.
Doch selbst seinen Nächsten gegenüber war er stets verschlossen, und wenn überhaupt, öffnete er sich - aber auch das nur äußerst selten – ein wenig gegenüber seiner Schwester Ludwika.

In seiner Chopin-Biographie schreib Franz Liszt: „Chopins Charakter war nicht leicht zu begreifen. Er setzt sich aus tausend Nuancen zusammen, die einander überkreuzten und verhüllten in einer Weise, die nicht auf den ersten Blick erkennbar wurde. Es war leicht, sich in den Gründen seiner Gedankenwelt misszuverstehen. Seine kränkliche und schwache Natur erlaubte es ihm nicht, seinen Leidenschaften einen Krafttrotzenden Ausdruck zu verleihen. Er suchte sich dadurch zu entschädigen, dass er Werke schrieb, die er von anderen mit der Kraft gespielt hören wollte, die ihm selber fehlte, und in denen der leidenschaftliche Groll eines von bestimmten uneingestandenen Wunden zutiefst getroffenen Menschen fortdauert.“ Und selbst, wenn einiges in den Darstellungen von Liszt verklärt und überhöht war, sollte man bedenken, dass er vermutlich vieles zutiefst von dem geahnt hat, was Chopin im Innersten bewegte, aber für sich behielt.

Nach der Meinung von Liszt war Chopin religiös und ein aufrichtiger Katholik, vermied es aber, über religiöse Themen oder über seine persönliche Einstellung zu Glaubensfragen zu sprechen. Chopin war fast immer kontrolliert. Er bemühte sich – beinahe im wahrsten Sinne des Wortes – bis zu seinem letzen Atemzug, „Contenance“ zu wahren. Lediglich gegen Ende seines Lebens wurde er zunehmend ungeduldiger und reizbarer – seine Empfindlichkeit konnte dann sehr schnell in eine Überempfindlichkeit wechseln. Mit fortschreitendem Kräfteverfall geriet er oft über den kleinsten Widerspruch außer sich. Seine Ungeduld und Verletzbarkeit konnten sich in solchen Situationen zu Wutanfällen steigern. George Sand kommentierte: „Chopin im Zorn ist schrecklich.“

Über seine künstlerischen Ansichten oder über seine Arbeit sprach Chopin ebenfalls nur selten. Wenn er sich aber über Themen aus dem Bereich der Kunst äußerte, dann mit großem Engagement und viel Geschmack und, so George Sand, mit außerordentlicher Genauigkeit und absoluter Sicherheit des Urteils.
Überhaupt scheint Chopin für alles „Schöne“ einen besonderen Sinn gehabt zu haben: Er schätze nicht nur schöne Blumen, sondern auch schöne Frauen. In ihrer Autobiographie schreibt George Sand, dass er für jede Schönheit, jeden Reiz und jedes Lächeln empfänglich war, wörtlich hieß es: „Sein Herz brannte vor Feuer und Zärtlichkeit, manchmal war es im Laufe des Abends an drei Schönheiten gleichzeitig gerichtet.“
Und Solange Sand, die Tochter Georges Sands, bemerkte: „Er war wie seine Musik – zärtlich und leidenschaftlich.“

Doch nach der Aussage Liszt verstand es Chopin, seine Gefühle und Wünsche wie kaum ein anderer in eine Sphäre der Ideale umzusetzen – „Sublimierung“, wie die Psychologen bekanntlich dazu sagen.
Chopin liebte das Leben, insbesondere das der prachtvollen Pariser „Salons“ und Restaurants sowie die Nähe schöner Frauen – und die „Salons“ sowie die schönen Frauen liebten ihn. Dumme Gänse und alte Jungfrauen langweilten ihn. Hohles Geschwätz und Gespräche, die sich um hochtrabende Visionen und Ideen drehten, verabscheute er.
Er spielte mit Leidenschaft Billard und Schach – letzterer sogar mit selbst gedrechselten Figuren. Im Sommer ritt er auf einem Esel und im Winter lief er Schlittschuh.
Auf Festen, und nicht nur auf vornehmen, sondern auch auf Dorf- und Familienfeiern, spielte er zum Tanz auf – und tanzte oft bis zur völligen Erschöpfung. Franz Liszt berichtete: „Gerne verbrachte er ganze Abende mit jungen Menschen, spielte mit ihnen „Blindekuh“ und erzählte ihnen Geschichten, die sie zum Lachen brachten.“
Der Tonfall seiner Briefe spricht für eine ausgeprägte Neigung zur Ironie. In der Gesellschaft anderer Menschen war er witzig – er verstand es, das Lächerliche unter der Oberfläche aufzuspüren -, und sein mimisches sowie sein parodistischen Talent, durch das er Menschen zu Lachkrämpfen provozieren konnte, wurde sogar von Schauspielern gelobt.

Gleichwohl war Chopins Beziehung zu Menschen und zur Realität ambivalent. Er liebet das Leben, hasste aber die Wirklichkeit.
Er selbst brauchte ein hohes Maß an persönlicher und finanzieller Sicherheit – vor der Übernahme einer wirklichen Verantwortung anderen Menschen gegenüber scheute er aber zurück.
Ungeachtet von Chopins Affinität für den Glanz der Pariser Gesellschaft, fühlte er sich am wohlsten in der vertrauten Umgebung seiner polnischen Landsleute. In der ersten Zeit nach seiner Ankunft in Paris verkehrte er ohnehin fast ausschließlich in Emigrantenkreisen. Seine intensivste emotionale Beziehung hatte Chopin jedoch zeitlebens zu seinen Verwandten in Warschau. Franz Liszt schrieb: „In seinen Beziehungen zu seinen Eltern war Chopin von zauberhafter Grazie. Nicht zufrieden damit, seine Korrespondenz auf sie zu beschränken, benutze er seinen Aufenthalt in Paris dazu, tausenderlei reizende Kleinigkeiten und Neuigkeiten für sie zu besorgen, die eine große Überraschung bereiten sollten. Er suchte alles, von dem er glaubte, dass es in Warschau willkommen sei und fügte seinen Briefen dauernd solche Sendungen bei. … Er selbst wiederum legte großen Wert auf alle Beweise der Zuneigung seitens seiner Angehörigen. Neuigkeiten oder Erinnerungsstücke waren für ihn stets ein Fest.“

Chopin sprach zwar fließend, aber keineswegs perfekt, und schon gar nicht gern Französisch. Er warf dieser Sprache einen Mangel an Klang und eine geistige Kälte vor. Franz Liszt interpretierte das so: „In der Muttersprache Chopins, dem Polnischen, klang immer eine Terz mit, die den Gedanken sofort in einen Dur- oder Moll-Akkord modulieren konnte.“
Selbstverständlich hatte Chopin auch Neider und Kritiker. Die Gräfin d’Agoult, langjährige Lebensgefährtin von Franz Liszt und Freundin von George Sand, schrieb in einem Brief: „Chopin ist eine überzuckerte Auster.“ Und George Sands messerschafte Analyse lautete: „Chopin ist ein Kondensat der prächtigsten, nach eigener Logik funktionierenden Inkonsequenzen.“

Chopin musste eine natürliche Begabung gehabt haben, sich gut „verkaufen“ zu können. Er verlangte und erhielt in Paris die höchsten Unterrichtshonorare und für die Eintrittskarten zu seinen Konzerten musste man viel Geld bezahlen – wenn man überhaupt das Privileg hatte, eine Karte zu bekommen.
In seinen letzten Lebensjahren war Chopin von seiner Krankheit nicht nur psychisch sehr geschwächt, sondern auch äußerlich stark gezeichnet. Ein Schüler vom ihm berichtete: „Seine Erscheinung bot einen peinlichen Anblick. Er war das Bild der Erschöpfung – der Rücken gekrümmt, der Kopf nach vorne gebeugt. Und wenn man ihn sah, so schmächtig und bleich, dann hielt man ihn sogar für einen Todeskandidaten, bis man sich irgendwann an den Gedanken gewöhnt hatte, dass er ewig so weiter leben könnte.“

Bei der Betrachtung der Biographie und der Persönlichkeit Chopins fallen Ähnlichkeiten mit seinen später geborenen, musikalisch mit ihm aber wesensverwandten russischen Kollegen Peter Tschaikowsky und Alexander Skrjabin auf. Alle drei Komponisten sind in einem überwiegend von Frauen bestimmten Haushalt aufgewachsen und hatten zu den Frauen, von denen sie erzogen worden waren, eine besonders enge emotionale Beziehung. Bei Chopin waren es die Mutter und die Schwestern, bei Tschaikowsky die Mutter sowie das Kindermädchen und bei Skrjabin die Tante und die Großmutter. Nicht ohne Bitterkeit behauptete George Sand: Die einzige Frau, die Chopin überhaupt geliebt hätte, sei seine Mutter gewesen. Alle drei Komponisten sagten Zeitgenossen einen überdurchschnittliche weibliche Prägung ihrer Persönlichkeiten sowie eine starke Neigung zur Melancholie bis hin zur Schwermut nach, die sogar in neurotischen Verhaltensweisen zum Ausdruck kam: Chopin und Tschaikowsky hatten zeitweise schwere Depressionen und Selbstmordabsichten bis hin zu konkreten Suizidversuchen (Tschaikowsky), und die psychische Verfassung Skrjabin war derart labil, dass er bereits seit seiner Kindheit nervenärztlich behandelt werden musste. Anders als Tschaikowsky und Skrjabin war Chopin jedoch nie alkoholabhängig und entgegen vielfach kolportierter Gerüchte war er – im Gegensatz zu Tschaikowsky – auch nicht homosexuell veranlagt. Aus heutiger Sicht intim klingende Formulierungen in Briefen an seine Freunde wie „Mein Geliebter“ oder „Ich küsse dich“ entsprachen lediglich dem romantischen Stil der damaligen Zeit.

Fragt man sich, ob Chopin ein „glücklicher“ Mensch gewesen sie, könnte man zu folgender Antwort kommen: Bekanntlich ist nach Sigmund Freud „Glück“ als Dauerzustand in der Schöpfung nicht vorgesehen. Chopin hatte jedoch zweifellos eine außerordentliche glückliche Kindheit und Jugendzeit – er hatte Glück mit dem Geschenk seiner überragenden Begabung und Glück mit seinen Eltern, die ihn zwar förderten, aber nie zum übertriebenen Üben drängten. Außerdem hatte er das Glück mit seinen Geschwistern, Freunden und Lehrern. Insofern war Chopin zweifellos eines der ganz wenigen glücklichen „Wunderkinder“: Fats mühelos avancierte er zum musikalischen Hoffnungsträger der polnischen Nation. Und später, in Paris, hatte er das große Glück, zur richtigen Zeit die „richtigen“ Leute kennenzulernen. Aber ein ausgesprochen glücklicher Mensch war er vermutlich nicht, dazu belasteten ihn alleine seine Krankheit zu sehr. Andererseits hat sich Chopin seinen Lebensstil sehr bewusst aussuchen und weitgehend nach seinen eigenen Vorstellungen einrichten können; und das alleine bedeutet schließlich schon ein hohes Maß an Glück. Kaum etwas überließ er dem Zufall, selbst die Blumen hat er sich zur eigenen Freude in seiner Wohnung stellen lassen, bevor er von einer Reise nach Hamburg kam. Franz Liszt:

„Sein Leben, das sich einfach gestaltete, kennzeichnet weder Abenteuer noch Episoden; obwohl ihn Verhältnisse umgaben, die es ihm schwer machten, ein solchen Leben zu führen. Seine Gefühle und Empfindungen waren seine Ereignisse; sie waren für ihn eindrucksvoller und wesentlicher als die wechselnden Geschehnisse der Außenwelt. … Seine Seele, sein überströmendes Herz, seine stumme Traurigkeit, sein unsagbares Leid, ergoss er in seine Kompositionen so wie andere fromme Seelen in das Gebt. Er sprach in seinen Werken aus, was jene nur auf Knien sagen können; die Mysterien der Leidenschaft und des Schmerzes, die der Mensch ohne Worte verstehen kann, weil Worte sie nicht auszudrücken vermögen. Die Mühe, die sich Chopin gab, das, so wollen wir einmal sagen., Zickzack des Lebens zu vermeiden, alles Nebensächliche, alles Zersplittern in gestaltlose Teile ohne Sinn und Zweck auszuschalten, hat ihm viele Schwierigkeiten erspart. … Chopin nahm an keiner Tat und an keinem Drama teil, er schlang keine Knoten und löste keine. … So entzog er sich allen Bindungen, allen Freundschaften, die ihn mit sich fortgerissen und ihn in ruhelosen Sphären gestoßen hätten. Er war bereit, alles zu geben, doch sich selbst gab er nicht.“

Quellenangaben

(Textauszug aus "Frédéric Chopin, Briefe und Zeitzeugnisse", Hans Werner Wüst, ISBN 3-8311-0066-7)

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